Gedanken einer betroffenen Angehörigen

Der Boden wurde mir unter den Füßen weggezogen.

Ich verstand die Welt nicht mehr. Wo war der liebevolle Mann, der sich bisher um alles gesorgt und gekümmert hatte.

Das bisherige Leben war vorbei.

Und man ist allein mit seinen Ängsten und weiß nicht, wie man mit dieser Situation umgehen soll.

Ich habe viele schmerzliche Fehler durch Unwissenheit gemacht.

Das Leben bestand nun aus Pflege rund um die Uhr,

ich konnte nicht mehr telefonieren, kein Radio anschalten,

weil alle diese Geräusche meinen Mann stark störten.

Kein Besuch, weil die Unterhaltung ihn nervös und unruhig machte.

Und ich zog mich auch total zurück, weil ich auch nur noch aus Sorgen und Ängsten bestand.

Wo war der Partner geblieben, wo die langen, gemeinsam verbrachten Ehejahre?

Und in dieser schlimmen Zeit braucht man Hilfe, obwohl man zuerst alles ablehnt, jeden gut gemeinten Ratschlag mißachtet.

Meine Tochter hat mich fast gezwungen, mich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen.

Selbst da wollte ich nicht mehr hin.

Und kam doch jedesmal getröstet und mit neuem Mut zurück.

Denn es war ja eigentlich erst der Anfang der Krankheit meines Mannes.

Andere Angehörige hatten viel schlimmere Schicksale.

Ich habe zwar lange gebraucht, bis ich die Krankheit langsam annahm, nicht akzeptiert, nur annahm. Akzeptieren kann ich es bis heute noch nicht.

Diese Krankheit verursacht einen Schmerz, der nie vergeht.

Es ist wie eine offene Wunde, die nie verheilt.

Und ohne Hilfe kommt man nicht zurück ins Leben.

Deswegen versuche ich nun, mich mit aller Kraft dafür einzusetzen,

dass wir es schaffen, ehrenamtliche Helfer zu gewinnen.

Ich glaube, wenn jeder wüsste, wie viel Schmerz und Leid die Krankheit Alzheimer mit sich bringt, wären viel mehr bereit zu helfen.

 

Waltraud Tondorf 2003

 

Frau Tondorf arbeitet seit dem Tod ihres Mannes ehrenamtlich bei AUFWIND.